Messer

Das Messer ist ein Werkzeug, das zum Schneiden dient und aus einer Klinge sowie einem Griff (Heft) besteht. Es zählt zu den wichtigsten Werkzeugen des Menschen. Ursprünglich war das Messer Werkzeug und Waffe in einem. Im Laufe der Zeit entwickelte es sich zusätzlich zum Kunst-, Ritual- und Schmuckgegenstand und sogar zum Zahlungsmittel. Ab dem 18. Jahrhundert wurde das Messer zum Teil des Essbestecks. Es gehört zu den wenigen Objekten, die weltweit in allen Kulturen des Menschen vorkommen.

Die Gesamtheit der Messer wird zu den Schneidwerkzeugen gezählt. Außer in Haushalt, Landwirtschaft und Technik dienen sie zum persönlichen Gebrauch. Auch einige chirurgische Instrumente zählen dazu. Zur Gruppe der Messer zählen auch Macheten, große Messer und Hirschfänger. Von Dolchen grenzen sie sich durch ihre einschneidige Klinge ab, von Schwertern und Säbeln durch ihre kürzere Klinge und von Stangenwaffen wie Speeren, Lanzen und Spießen durch ihren kürzeren Griff.

Der Aufbau des Messers veränderte sich zwar im Laufe der Geschichte kaum, doch Material, Form und Art von Klinge, Griff und Verzierungen variierten je nach geschichtlicher Epoche, Herkunft und Nutzungsart. Wegen seiner Nützlichkeit ist das Messer für die unterschiedlichen Gebrauchssituationen zu jeder Zeit und an jedem Ort vorhanden und bildete eine besondere Vielzahl von Variationen heraus.

Etymologie

Das Wort „Messer“ leitet sich vom westgermanischen matizsahsa her, in dem die alte indogermanische Wortwurzel sax, etwa lateinisch saxum und italienisch sasso versteckt ist, was ursprünglich Felsen oder Stein bedeutet. Somit führt die Bezeichnung direkt zu den urzeitlichen Wurzeln des Arbeitsgeräts, stellt es doch eine Erinnerung an die kulturellen Verhältnisse der Steinzeit dar – ebenso wie das westgermanische Hammer gleichzeitig die Bedeutung Fels hat. Zum Stichwort „Sachs“ schreibt das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache:

„[…] aus g. *sahsa Messer, Kurzschwert, auch in anord. sax, ae. seax, afr. sax. Zu der Wurzel (ig.) *sek- „schneiden“, zu der auch „Säge“, „Sense“ und „Sichel“ gehören. Formell entspricht l. saxum „Fels“ als „das Schneidende, Kantige“. Der zugrunde liegende s-Stamm ist auch in l. s(a)cena f. „Haue des Pontifex“ (aus *saces) und vermutlich in „Sense“ verbaut. Verdunkelt ist Sachs als zweiter Bestandteil von → Messer.“

Die Wortwurzel sahs lebt verhüllt im deutschen Wort Messer weiter, das sich aus dem althochdeutschen mezzir oder mazsahs entwickelte, was so viel wie „Speiseschwert“ (vgl. althochdeutsch maz = Speise) bedeutet.

Geschichte

Ägyptisches Ritualmesser für den Opferdienst, ca. 3000 v. Chr.

Seit der Altsteinzeit benutzt der Mensch scharfe Klingen, zuerst aus Stein, vereinzelt aus Holz, Knochen und anderen harten Materialien. Sie halfen dem ursprünglichen Pflanzenfresser, andere Nahrungsquellen zu erschließen und beispielsweise Aas zu verwerten, da sein Gebiss nicht zum Zerreißen von Fleisch ausgelegt war. Das Messer war seit der Vorgeschichte ein persönliches Universalwerkzeug. Es wurde gleichermaßen von Frauen und Männern aus adligem, bürgerlichem und bäuerlichem Umfeld meist am Gürtel getragen, zählte als Kleidungsbestandteil und hatte – was die Messer mit zweischneidigen Klingen betrifft – als Dolch mit Doppelfunktion teilweise den Charakter eines Standeszeichens.

Fortschreitende Innovationen verhalfen dem Menschen, Metalle zu gewinnen, sodass er Klingen zuerst aus Bronze und später aus Eisen beziehungsweise Stahl herstellen konnte. Die Herstellung wurde zunächst von der Funktionalität des Messers als Gebrauchsgegenstand bestimmt. Zu einer späteren Zeit erhielt es einen künstlerischen Wert, der Glanz, unterschiedliche Farbgestaltung der Klinge, Verwendung von Gold, Silber, Edelsteinen und die Anfertigung kostbarer Einlegearbeiten und Gravuren umfasste. Das Messer (wie seine verlängerte Form, das Schwert) umgab schon immer ein Hauch von Mystik, was zu schmuckvoll gestalteten Ritual- und Zeremonienmessern führte.

Wandel und Entwicklung, denen das Messer in seinen Funktionsspektren vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit unterworfen war, werden grob in

  • frühgeschichtliche Messer mit Waffencharakter
  • mittelalterliche Mehrzweckmesser
  • frühneuzeitliche Tafelmesser

unterteilt. Erst im 15. Jahrhundert kam es zur Trennung von Messern und messerartigen Waffen. In den Jagdbestecken des Adels hat sich diese Doppelfunktion bis in das 18. Jahrhundert erhalten, wobei sich eine klare Trennung schon aus der Tatsache heraus nicht herbeiführen lässt, dass jedes Messer jeder Funktion und Epoche gleichermaßen zur Waffe werden kann.

Steinzeit

Vor mehr als zweieinhalb Millionen Jahren stellte Homo habilis, der Urahn des heutigen Menschen, die ersten primitiven Werkzeuge her. Er schlug sich aus geeigneten Steinen primitive, aber funktionale Schlag-, Schneide- und Schabwerkzeuge zurecht, die in der Archäologie nach ihrem ersten Fundort, der Olduvai-Schlucht in Tansania, als Oldowan oder allgemein als Geröllgerät bezeichnet werden. Er verwendete dabei mehr oder minder eckige Felsgesteinsstücke als Rohstoff für Werkzeuge. Kaum jünger, rund zwei Millionen Jahre alt, sind die Chopper genannten Werkzeuge, die bereits das Aufspalten massiver Knochen ermöglichten, um an das fettreiche und nahrhafte Mark erlegter Tiere zu gelangen.

Die Weiterentwicklung der Chopper waren für die Altsteinzeit typische sogenannte Chopping Tools. Sie stellen eine Weiterentwicklung der Chopper dar und weisen im Gegensatz zu diesen eine zweiseitig bearbeitete Schneide auf. Sie wurden vor rund eineinhalb Millionen Jahren gefolgt vom Faustkeil, einem zweiseitig bearbeiteten, mandelförmig ausgebildeten Steingerät, dessen runder Basis eine spitz zugerichtete Seite gegenüberlag. Sie waren 15 bis 30 Zentimeter lang, von 40 Gramm bis zu einem Kilogramm schwer. Wegen ihrer vielseitigen Funktionsweise werden sie als Schweizer Taschenmesser der Steinzeit bezeichnet, das bis ins späte Mittelpaläolithikum vorkam. Wahrscheinlich erfüllten die Faustkeile zahlreiche Funktionen wie Hacken, Schneiden, Schaben, Schlagen und Werfen.

Vor einer Million Jahre hatte der Homo erectus eine Technik erlernt, um die schneidende Seite von Steinen zu splittern. Bald entdeckte der Steinzeitmensch der Altsteinzeit die besondere Schärfe der Feuersteine, aus deren Knollen er mit der Levalloistechnik unter Zuhilfenahme von Schlagsteinen Klingen herausschlug und diese durch Abschlagen an den Rändern formte (was als Retusche bezeichnet wird). Manche Feuersteinklingen zeichneten sich durch besondere Schärfe aus, die an die moderner Skalpelle heranreichte. Das hängt mit den Eigenschaften des Materials (amorpher Quarz) zusammen, das ähnlich wie Glas sehr scharfe Bruchkanten bilden kann. Diese Verfahrensweise verbreitete sich in ganz Europa und Asien. Dem Neandertaler vor 125.000 bis 40.000 Jahren wird eine besondere Begabung in der Herstellung von Messern aus Feuersteinsplittern zugeschrieben. Im östlichen Mittelmeer- und insbesondere mesoamerikanischen Raum wurden Klingen gleichermaßen aus Obsidian hergestellt, ein außerordentlich hartes vulkanisches Glas, dessen reichem Vorkommen die Kultur von Teotihuacán ihren wirtschaftlichen Reichtum mit verdankte und das die Entwicklung von Metall über Jahrhunderte überflüssig machte.

Bis dahin hatten diese Schneidwerkzeuge nicht über einen angesetzten Griff verfügt, doch zeigte sich, dass ein solcher Vorteile bringt. So wurden die Klingen mit Griffen aus Horn, Knochen oder Holz versehen. Aus der Jungsteinzeit sind Pfahlbaumesser bekannt, für die Feuersteinklingen geschliffen und passende Griffe aus Holz oder Horn hergestellt und angepasst wurden.

Der Übergang von Altsteinzeit zur Jungsteinzeit, von Jäger- und Sammlerkulturen zu sesshaften Bauern mit domestizierten Tieren und Pflanzen, wurde durch diese Weiterentwicklung des Messers entscheidend begünstigt, wenn es nicht gar eine wichtige Voraussetzung darstellte. So definierte der britische Anthropologe Sir John Lubbock 1865 den Übergang in die Jungsteinzeit noch mit dem Auftreten von geschliffenen Steinartefakten; heutzutage wird der Beginn der Jungsteinzeit mit dem Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise in Verbindung gebracht, die folgende Merkmale aufweist: Keramikherstellung, domestizierte Tiere und Pflanzen, geschliffene Steingeräte und Sesshaftigkeit.

Bronzezeit

In der Bronzezeit, die im 3. Jahrtausend v. Chr. einsetzte, wurden Kupfer-Werkzeuge zusätzlich zu Steinwerkzeugen verwendet und daraus bald Messer hergestellt. Es wird vermutet, dass bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. Messer aus Kupfer gefertigt wurden, was aber fossil nicht nachweisbar ist. Bereits um 2600 v. Chr. waren die Ägypter in der Lage, erste chirurgische Messer aus Kupfer herzustellen. Kupfer war allerdings nicht robust und zu weich; so wurden Zinn und Kupfer zu Bronze-Legierungen geschmolzen.

Durch ihre höhere Festigkeit und leichtere Bearbeitung verdrängte die Bronze das Steinmaterial. Die Griffe dieser Messer waren ganz aus Metall, eine Auflage weiterer nicht mehr erhaltener Bestandteile aus organischem Material (beispielsweise im Lauf der Zeit verrottetes Holz) wird von den Wissenschaftlern nicht angenommen. Diese Vollgriffmesser wiesen verschiedene Klingenformen und Griffgestaltungen auf. Sie wurden in einem einschaligen Guss hergestellt und sind daher einseitig profiliert. Später kamen zweischalige Gussformen in Gebrauch, was die Messer beidseitig profilierte.

Insbesondere bei den Römern wurden Messer aus Messing hergestellt, da es gut zum Formguss geeignet und wegen der Gold ähnelnden Farbe sehr beliebt war.

Später verdrängte das Eisen die Bronze als Material weitestgehend, doch einige Vorteile (relative Korrosionsbeständigkeit, sprüht im Gegensatz zu Stahl keine Funken) machen Bronzemesser bis heute interessant. Tauchermesser aus Bronze waren daher die bevorzugte Wahl, bis es Titan gab. Noch bis in das 20. Jahrhundert hinein gab es darüber hinaus nicht selten aus Bronze gefertigte Fruchtmesser.

Eisenzeit

Bereits ab der Endbronzezeit kamen Eisenmesser auf, welche die Bronzemesser wegen ihrer vielfältigen Vorteile schnell ablösten. Messer mit eisernen Klingen sind in Europa seit der Hallstattzeit nachweisbar. Die Verhüttung von Eisen bei den Hethitern seit dem 17. Jahrhundert v. Chr. ist belegt, eine Technik, die sich erst ab dem 12. Jahrhundert v. Chr. über den Vorderen Orient und den Mittelmeerraum ausbreitete und Mitteleuropa spät erreichte, wo die Eisenzeit erst im 8. Jahrhundert v. Chr. einsetzte und vermutlich erst ab dieser Zeit Stein-, Bronze- und Messingmesser schrittweise ablöste.

Die späte Verbreitung war auf die Schwierigkeiten der Herstellung zurückzuführen. Die Verhüttung von Eisenerzen erforderte Temperaturen in den Rennöfen, die bis über 1.250 °C gingen. Viele Jahrhunderte lang konnte Eisen in der Schmiedeesse nur bis zur Rotglut erwärmt und mit dem Hammer, zumeist auf Steinambossen, bearbeitet werden. Antike Gegenstände aus Eisen sind selten, da dieses schnell rostet und im Verlauf weniger Jahrhunderte verschwinden kann. In Ugarit (Syrien) wurde ein Messer aus der Zeit um 1200 v. Chr. gefunden. Die Klinge besteht aus Eisen, der mit goldenen Rauten verzierte Griff aus Kupfer.

Die so etablierte Eisenverarbeitung hielt sich bis in das 17. Jahrhundert, z. T. in kleinen Betrieben, den sogenannten Waldschmieden, auch noch länger, bis die stetige Nachfrage und viele neue Techniken zu einer Verbesserung der Verfahren führten. In ganz Europa verbreiteten sich leistungsfähigere Hochöfen, die eine quantitativ höhere Produktion erlaubten. Das wurde zusätzlich durch wasserkraftbetriebene Blasebälge und durch Wasserkraft bewegte Schmiedehämmer, sogenannte Schwanzhämmer, möglich. Das durch die nun erreichbaren höheren Temperaturen erzeugte Roheisen musste allerdings durch Frischen oder Gärben von seinem hohen Gehalt an Kohlenstoff befreit werden, um es für die Schmiede verarbeitbar zu machen.

Antike

In der Antike war das Messer ein allgemeiner, unentbehrlicher, täglich verwendeter Gebrauchsgegenstand. Es war bereits mit einer dazugehörigen Scheide aus Leder versehen. Das typische persönliche Messer jener Zeit hatte einen kurzen, normalerweise aus Holz oder Knochen gefertigten Griff, der auf die Flachangel genietet oder auf eine Spitzangel aufgesteckt war.

Zur hohen Kaiserzeit des Römischen Reiches gab es ebenso in Serien gefertigte Exemplare der toreutischen Künste, sehr wertvolle Messer mit einem Griff aus bearbeitetem Silber. Auf den Esstischen erschienen erstmals kleine, zierliche Obstmesser mit Klingen aus Elfenbein oder Knochen. In dieser Zeit fanden sich erstmals Messer mit Klappgriff, die den heutigen Taschenmessern entsprechen und in Skelett-Bauweise hergestellt und in einem Stück aus Bronze gegossen wurde. Auch diese Messer wurden alltäglich im Haushalt und bei der Arbeit eingesetzt sowie als Jagdmesser oder Opfergabe verwendet. Es gab sogar Eisen- oder Bronzemesser mit Griffen aus Holz oder Eisen, seltener aus Elfenbein. Oftmals waren diese Griffe mit Figuren oder Dekorationen verziert. Die Tischmesser hatten eine kleine, leicht abgerundete Klinge.

Desgleichen war das Opfermesser (secespita) von hoher Bedeutung. Der römische Priester schnitt damit die Stirnhaare des Opfertiers ab. Das Messer wies eine lange und breite, fast dreieckige Klinge mit einem kurzen und breiten Griff auf. Fast alle Gesellschaften, in denen die Religion Blutopfer verlangte, töteten ihre Opfer mit dem Messer und nicht mit dem Schwert, während für den Selbstmord häufig nicht das Messer, sondern eine Waffe (Brutus, Marcus Antonius) benutzt wurde, vorzugsweise das Schwert. Eiserne Messer waren als Kultmesser verpönt. Eisen stellte nämlich gegenüber Stein und Bronze etwas Neues dar, während Religion und Magie das Alte bewahrten.

In der Antike kam eine Vielfalt von chirurgischen Messern auf. Den hippokratischen Ärzten war der Gebrauch des Messers untersagt, es war den Chirurgen vorbehalten. Im Römischen Reich bestand die typische Ausstattung des Chirurgen aus diversen Messern in verschiedenen Längen und Breiten sowie einer schaufelförmige Ohrsonde, deren Rand messerscharf war. Die Instrumente waren typischerweise komplett aus Bronze gefertigt, während die chirurgischen Messer Griechenlands aus einem Bronzegriff und einer Stahlklinge bestanden. Diese konnte doppelschneidig sein. Es gab aber auch Messer, die nur eine scharfe Schneide aufwiesen und auf der anderen Seite als Spatel dienten, einem messerklingenartigen, länglich flachen, aber nicht schneidenden Instrument. So führte man mit der scharfen Seite den Schnitt, während man mit der stumpfen Seite die verschiedenen Weichteile auseinanderhielt. Bei diesem Messer gingen Griff und Klinge ineinander über, es handelte sich also um die Vorstufe des klassischen Skalpells. Diese Messer wurden hauptsächlich zum Entfernen von Geschwülsten oder anderen „Fremdkörpern“ verwendet. Der Polypenspatel war ein zweischneidiges Messer mit nur mäßig scharfer Klinge, das zur Abtrennung weicher Gewebeteile wie Polypen verwendet wurde. Zu dieser Gruppe der chirurgischen Instrumente gehörte die Amphismela, eine „Beinsäge“, ein griechisches zweischneidiges Messer, das bei Amputationen eingesetzt wurde.

Auch die Kelten stellten hochwertige, funktionale und – aus künstlerischer Sicht – schöne Messer her.

Mittelalter

Im Mittelalter waren bei beiden Geschlechtern einfache Gebrauchsmesser als persönliche Ausrüstung üblich, die ständig mitgeführt wurden. Seit mindestens dem 15. Jahrhundert wurde das Messer als persönliches Essbesteck zusammen mit einem Löffel in einem Lederfutteral am Gürtel getragen. Dieses Futteral beziehungsweise Etui wurde „Besteck“ genannt; die Bezeichnung ging später auf den gesamten Satz der Esswerkzeuge über.

Im 17. Jahrhundert kam zum Essbesteck in Europa nach und nach eine in der Regel zweizinkige Vorlege- bzw. Tranchier-Gabel hinzu, wobei die Besteckteile überwiegend mit Klappgriffen ausgerüstet waren. Der Gebrauch von Besteck bei Tisch war indes zögerlich und bürgerte sich erst im 19. Jahrhundert auf breiter Basis ein. Bis dahin dominierte der Löffel als Esswerkzeug, während das Messer vorwiegend zum vorherigen Zerkleinern in mundgerechte Portionen Verwendung fand. So bezeugt die Schilderung des Erasmus von Rotterdam, in städtischen Gasthöfen befinde sich nur das Notwendigste an Geschirr, Messer habe der Gast selbst mitzuführen, das Vorhandensein von persönlich getragenen Messern noch im 16. Jahrhundert.

In einem mittelalterlichen Haushalt fanden sich verschiedene Messertypen – klein und krumm, mit geteilter Klinge zum Schneiden und Aufspießen oder mit einem Haken als Spitze zum Abschaben von Knochen, Festhalten oder Aufspießen von Fleisch. Jedoch brachten Gäste zu einem gemeinsamen Mahl ihre eigenen Tischmesser mit, mit denen sie Fleischstücke aufspießten und zum Mund führten, wenn sie die Finger nicht zum Essen verwendeten. In diesem Punkt unterschieden sich Bauerntisch und königlicher Hof nicht. Beim mittelalterlichen Festessen am Hof wurden die Speisen vor den Gästen von einem Vorschneider, dem so genannten Tranchiermeister, in mundgerechte Häppchen zerlegt, was den Gebrauch eines eigenen Messers überflüssig machte. Die Zeremonie des Tranchierens blieb bis in die Renaissance eine Tischsitte bei Hofe.

Das Aufkommen reiner Tafelmesser – oft unberechtigterweise mit dem Niedergang des Mehrzweckmessers gleichgesetzt – ist von der Wissenschaft nicht abschließend datiert. Haedeke nimmt das Ende des 16. Jahrhunderts an und unterscheidet seither zwischen „vornehmen Häusern“, in denen jedem Gast ein eigenes Tafelmesser bei Tisch vorgelegt wurde, und „einfachen Leuten“, die ihr Messer selbst mitbrachten. Wühr hingegen sieht die Verbreitung des Tafelmessers bereits im 15. Jahrhundert. Nach seiner Ansicht wurde es zusammen mit einem größeren Messer in einer Scheide getragen und stets mitgeführt.

Die Form der Tafelmesser wird übereinstimmend beschrieben: Es handelte sich um schlanke, oft spitze Messer, die sich durch eine geringere Klingenlänge und feinere Griffgestaltung auszeichneten.

Neuzeit

Noch im Europa des 14. Jahrhunderts wurde Eisengewinnung im Rennfeuer vorgenommen, doch erst gegen Ende des Mittelalters konnte mit der Einführung von Hochöfen Gusseisen in größeren Mengen erzeugt werden. Aus diesem Roheisen wurde durch Gärben, später durch Frischen und Puddeln, schmiedbares Eisen und Stahl in besserer Qualität erzeugt.

Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts formten sich bis zum 18. Jahrhundert umfangreiche Tischsitten aus. Diese Ästhetisierung verlangte neues, kostbares und prunkvolles Tischgerät. Bei Hofe entfaltete sich der Akt des Tranchierens zu seiner vollen Blüte. Das Essgerät wurde weiterhin von jedem Gast zu einem Mahl mitgebracht. Messer, besonders mit Silbergriff und reicher Verzierung, wurden zu einem wichtigen Statussymbol.

Im Barock und Rokoko waren bedeutende Neuerungen in Form, Funktion und Dekoration zu beobachten. Der auffallendste Wandel war die Entwicklung vom „stehenden“ zum „liegenden“ Tischgerät, verbunden mit der Tatsache, dass der Gast sein Besteck – also gleichfalls das Messer – nicht mehr mitbringen musste. Zum ersten Mal trat die gemeinsame Gestaltung von Messer, Löffel und Gabel in den Vordergrund. Es entwickelte sich ein differenzierter Stil des Speisens, mehrtägige Ess- und Trinkgelage wie in der Renaissance wurden zurückgedrängt. Das Schau-Tranchieren verlor im Laufe des 18. Jahrhunderts an Bedeutung. Die damit in Zusammenhang stehenden Aktivitäten verlagerten sich mehr und mehr in die Küche. Die Funktionsänderung bedingte eine Änderung der Form: Das Messer verlor seine Spitze zum Aufspießen, da diese Anforderung vom Pfriem beziehungsweise der sich immer mehr durchsetzenden Gabel übernommen wurde.

Das 1771 erschienene Werk des Messerschmieds Jean Jacques Perret (1730–1784): L’Art du Coutelier (Die Kunst des Messerschmieds) beschrieb detailliert die seinerzeit modernsten Arbeitsvorgänge zur Herstellung von Messern und chirurgischen Instrumenten. Es wurde zum Standardwerk des 18. Jahrhunderts und wirkte dabei mit, dass Frankreich bei den Klapp- oder Taschenmessern zum Marktführer aufstieg. Auch die zeitgenössische Mode half: Der perfekt ausgestattete „Herr der guten Gesellschaft“ führte neben einer reich verzierten Schnupftabakdose und einem schmucken Spazierstock stets ein ebenso wertvolles wie hübsches Taschenmesser mit sich. Das Repertoire der Pariser Messerschmiede schloss daneben Spezialgeräte zum medizinischen Gebrauch, zur Kosmetik und für den Friseurberuf ein.

Mit der Französischen Revolution und dem Napoleonischen Kaiserreich bildeten sich neue Lebensweisen heraus, die vor allem auf die beginnende Industrialisierung zurückzuführen waren. Diese wirkte sich auf das Messer aus, das bald nicht mehr nur in kostbaren Unikaten, sondern als billige Massenproduktion erhältlich war. Neue industrielle Techniken wie das Stanzen erlaubten eine gleichbleibende, akzeptable Qualität bei niedrigen Kosten. Diese Entwicklungen führen dazu, dass der althergebrachte Handwerksberuf des Messerschmieds nahezu verschwindet und erst am Ende des 20. Jahrhunderts eine Renaissance erlebt.

Der um 1912 entwickelte rostfreie Stahl, der einen erhöhten Gehalt von Chrom (13 bis 15 Prozent) aufweist, somit die Klinge glänzender erscheinen lässt und gegen Umwelteinflüsse wie Feuchtigkeit und schwache Säure resistenter als Kohlenstoffstahl ist, wird seitdem zunehmend, jedoch nicht ausschließlich, als Klingenmaterial verwendet.